Werte und Nachhaltigkeit in der Pferdezucht
Mir liegt nachhaltiges Handeln sehr am Herzen.
Oft höre ich Züchter sagen "ich würde gerne ethischer handeln, aber der Markt erfordert etwas anderes" oder "der Käufer honoriert es nicht". Das finde ich zu kurz gedacht.
Denn das gilt nicht für jeden Käufer. Ich habe genau solche Käufer kennenlernen dürfen, denen eine gesunde Aufzucht ein Anliegen war (und die auch bereit waren, einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen).
Ein Pferd verdient aber -unabhängig des Preisschildes- mehr Verantwortungsgefühl.
Der Züchter ist in der Regel derjenige, der besser informiert ist über die Folgen seines Handelns. Damit ist er in meinen Augen in der Pflicht, dem Kunden zu vermitteln, warum diese Aspekte der Pferdezucht wichtig sind. Das war auch der Grund, warum ich diesen Blog Beitrag über die Kosten der Aufzucht eines Fohlens bis zum Dreijährigen erstellt habe. Viele Reiter wissen kaum etwas über die Entstehungskosten eines Reitpferdes.
Aber es gibt noch viel mehr, was man als Züchter pro Pferd tun kann. Denn in meinen Augen gilt es, dem Lebewesen und Sportpartner Pferd gerecht zu werden. Daher möchte ich gerne erklären, warum mir diese einzelnen Themen ein Anliegen sind. Sie sind für mich ein Qualitätsmaßstab, auf den ich als Käufer achten kann und es sich nachzufragen lohnt.
Späte Fohlengeburten
Aufgrund der Regelung, dass in Deutschland jedes Fohlen unabhängig seines Geburtsdatum ab dem 1. Januar ein Jahr älter wird, entstehen frühgeborenen Fohlen Vorteile auf Zuchtschauen, Körungen und später in den Jungpferdeprüfungen auch auf dem Turnier. Auch Käufer mit Investitionsgedanken sind an frühen Fohlen interessiert.
Ich halte es für keine gute Entwicklung, Stuten möglichst früh zu bedecken, um frühe Fohlen zu haben. Denn das Wetter und die Haltungsbedingungen bedeuten, dass ein Fohlen einen Großteil seiner ersten Lebenswochen in der Box oder maximal stundenweise auf einem Paddock verbringt. Das verursacht wissenschaftlichen Studien zufolge nachweislich Schäden und Entwicklungsstörungen am Bewegungsapparat.
Meine Konsequenz daraus:
Ich habe noch nie vor April eine Stute besamen lassen. Im Regelfall warte ich sogar bis Mai. Sogenannte „späte“ Fohlen sind mir die Liebsten. Denn Maifohlen fallen direkt ins Gras. Das heißt, sie können vom ersten Tag an auf die Weide. Das hat erhebliche Vorteile für ihre Gesundheit und optimale Entwicklung.
Haltung und Aufzucht
Eine gesunde Haltung insbesondere in der Aufzucht zu gewährleisten, ist mir ein Herzensanliegen. Das gilt das ganze Jahr über, unabhängig des Wetters.
Das sagen alle Pferdezüchter. Aber oft sind es nur Lippenbekenntnisse. Ich fahre oft im Winter durch die Landschaft und sehe, wessen (Jung-)Pferde jeden Tag draußen sind und welche den Himmel den ganzen Winter über nicht zu Gesicht kriegen. Das ist leider weit verbreitet - zur Schonung der Weideflächen (welch Ironie, dass dabei die Pferde zu Schaden kommen).
Schäden in der Aufzucht schränken die spätere Sporttauglichkeit des Reitpferdes oft ein. Das muss nicht immer in Sorglosigkeit begründet sein. Unfälle passieren überall. Aber eine Minimierung der Quote der verunfallten Pferden muss eine hohe Priorität haben. Kontrollen der Pferde, um Infekte oder Lahmheiten früh zu bemerken, sind unerlässlich. Leider wird hier oft sorglos mit der Gesundheit der jungen Pferde umgegangen und von großen Gestüten ein wenig "Schwund" lapidar mit einkalkuliert.
Meine Konsequenz daraus:
Meine Stuten stehen an 365 Tagen im Jahr draußen. Eine Box sehen sie nur zum abfohlen von innen oder wenn sie in die Arbeit als Reitpferd kommen.
Größe
Exterieurmerkmale, die zu gesundheitlichen Problemen führen können, sind meiner Ansicht nach in der Zucht rigoros zu vermeiden. Das würde wohl jeder unterschreiben, aber erstaunlicherweise gibt es dennoch Trends hin zu bedenklichen Faktoren. Übermäßige Größe bringt erhebliche gesundheitliche Risiken für Sportpferde mit sich (z.B. für den Fesselträger, aber auch den Rücken).
Meine Konsequenz daraus:
Ich nutze ganz konsequent keine Zuchtstuten in Übergröße (für mich beginnt das bei rund 1,72m). Natürlich kann jedem Züchter die Natur da ein Schnippchen schlagen (siehe mein Qatani, der seinen älteren Vollbruder Quilebo deutlich überragt). Aber es sollte ein mittleres Stockmaß von 1,65-1,70m angestrebt werden. An 1-2 Zentimetern will ich mich nicht stören.
Blutzufuhr
Ständige Zufuhr von Vollblut in die Warmblutzucht ist ausgesprochen wichtig, um die Härte, Sportlichkeit und Regenerationsfähigkeit von Sportpferden zu erhalten. Alles Andere ist in meinen Augen sehr kurzfristig gedacht. Denn es gibt keine Pferderasse, die konsequenter auf Leistung selektiert wurde.
Meine Konsequenz daraus:
Ich züchte nur mit Stuten, die einen rechnerischen Blutanteil von 50% und mehr haben. Es geht natürlich nicht nur darum, wie hoch der Blutanteil ist, sondern auch wie durchdacht das Blut aufgebaut wurde und mit welchen Individuen. Das Wissen um die Belastbarkeit der einzelnen Linien ist unverzichtbar, vertrauen Sie daher auf meine Erfahrung mit Vollblütern.
Haltbarkeit im Sport
Die Nutzung von Hengsten in der Pferdezucht ist nicht so konsequent auf Leistung ausgerichtet, wie es zum Beispiel die Nutztierhaltung ist. Hier werden Modetrends und Vermarktungsmöglichkeiten zu viel Beachtung geschenkt.
Meine Konsequenz daraus:
Ich nutze überwiegend Hengste, die über Jahre ihre Eigenleistung im Sport erbracht haben. Am besten auf höchstem internationalem Niveau und ohne nennenswerte Ausfälle. Sie haben damit gezeigt, dass sie die nötige körperliche, wie psychische Belastbarkeit für den Top Springsport mitbringen. Das ist für mich heutzutage die einzig gültige Leistungsprüfung für Reitpferde.
Abgabe von alten Stuten
Züchter trennen sich, sobald weibliche Nachzucht vorhanden ist, oft von älteren Zuchtstuten. Das Denken in Generationen bringt es mit sich, dass sonst der Stall sehr voll wird. Hier haben gerade Landwirte oft eine wenig emotionale Haltung gegenüber einer Entsorgung unbrauchbarer Pferde beim Schlachter. Ich finde es beschämend, wenn ansonsten gesunde Stuten, die nicht mehr tragend werden, dermaßen entsorgt werden.
Meine Konsequenz daraus:
Für meine Zuchtstuten gilt, dass ich -sofern ich mich trenne- mich um ein Zuhause auf Lebenszeit für sie bemühe, solange sie noch einen materiellen Wert haben. Also solange sie bei bester Gesundheit und voll zuchttauglich sind. Eine Abgabe im hohen Alter finde ich dem Pferd gegenüber unfair.
Im Zweifel lieber leer lassen
Manchmal argwöhnen Menschen, wenn sie sehen, dass meine Stuten nicht jedes Jahr tragend sind, ob diese wohl gynäkologische Probleme haben und nicht zuverlässig aufnehmen. Das ist für mich die falsche Einstellung.
Meine Konsequenz daraus:
Ich lasse eine Stute lieber güst, als alles medizinisch Mögliche zu unternehmen, um sie tragend zu bekommen. Wenn eine Stute nicht optimal dasteht, lasse ich sie überhaupt nicht decken. Ebenso habe ich eine Stute noch nie mehr als 3 Mal besamen lassen oder -wie branchenüblich- Manipulationen an ihrer Scheide hierzu vornehmen lassen (z.B. zunähen zur Keimreduzierung oder Chip zur Geburtsüberwachung einnähen). In meinen Augen denkt sich die Natur etwas dabei, wenn die Stute nicht aufnimmt und ich versuche das -trotz künstlicher Besamung- so gut es geht zu respektieren.
Verwendung kranker Zuchtstuten
Es wird eine Vielzahlen von Stuten sportlich ungeprüft und krank der Zucht zugeführt, einfach aufgrund der Tatsache, dass sie eine interessante Abstammung haben. Oder in der Rittigkeit und Handhabung so speziell sind, dass ein Profi gefordert ist.
Meine Konsequenz daraus:
Gesundheit und Härte sind für den Reiter nicht mit Gold aufzuwiegen. Wer den Sporteinsatz (insbesondere Jungpferdeprüfungen) nicht aushält, hat in der Zucht nichts verloren. Es ist mir unbegreiflich, warum Züchter kranke Stuten so unkritisch in der Zucht verwenden.
Warum mache ich dies anders, als am Markt üblich?
Weil meine Pferde mein Leben sind. Und weil es für mich unvorstellbar ist, mich auf ihre Kosten zu bereichern.
Begeisterung für die Zucht
Ja, ich möchte meine züchterischen Fertigkeiten entwickeln, eigene Ideen in die Tat umsetzen, Generationen übergreifend planen – das ist für mich die größte Motivation für die Zucht. Darüber hinaus habe ich einen hohen Anspruch an die sportliche Qualität meiner Pferde. Selektion ist daher notwendig.
Dennoch bin ich mir der Verantwortung bewusst, die ich damit eingehe, wenn ich ein Leben in die Welt setze.
Konsequenz in der Umsetzung
Es ist für mich die natürliche Konsequenz, dass wenn ich meine Stuten zu meiner Freude züchterisch nutze, ich dies nicht auf ihre Kosten tue. Dazu gehört für mich eine perfekte Versorgung der Stuten und Nachzucht über das komplette Jahr und selbstverständlich auch die Überwachung der Fohlengeburten.
Wer über Jahre züchtet, wird Durststrecken und Rückschläge erleben. Pferdehaltung lehrt Demut und Respekt vor der Kreatur. Zufriedenheit stellt sich für mich nur ein, wenn es meinen Pferden gut geht, das ist für alles was ich tue der Maßstab. Der Erfolg stellt sich bei vielen richtigen Entscheidungen von selbst ein.